Passauer Neue Presse (26.10.2012)
Heimat Sprache - Vom Bangen um das Bayerische
["Lust an der Wortklauberey" - Symposium anläßlich 175 Jahre Erforschung der Dialekte in Bayern]
"Lust an der Wortklauberey" lautete das Motto, unter das die Bayerische Akademie der Wissenschaften in München ihr Symposium zum 175-jährigen Jubiläum des Bayerischen Wörterbuchs von Johann Andreas Schmeller stellte, der als Begründer der deutschen Mundartforschung gilt, und bei dem die Kommission für Mundartforschung auch den zweiten Band ihres Wörterbuchs präsentierte. Den Abschluss bildete eine Gesprächsrunde mit Schauspieler Udo Wachtveitl als einzigem Nichtwissenschaftler, in der zum Thema "Heimat Sprache" diskutiert wurde. Insgesamt ein durchaus gelungener Abschluss mit interessanten Denkanstößen, wenn auch nicht alle gleichermaßen zu überzeugen vermochten. So plädierte einer der Sprecher dafür, sich bezüglich Dialektvielfalt und -akzeptanz Norwegen zum Vorbild zu nehmen, leider ohne Berücksichtigung der (sprach)geschichtlichen Hintergründe (z. B. die 400-jährige dänische Hegemonie, in der auch die dänische Sprache dominierte oder die Tatsache, dass Norwegen über zwei Standardvarietäten der Amtssprache Norwegisch verfügt, eine davon eine aus norwegischen Dialekten geschaffene Kunstsprache). Eine kritische Auseinandersetzung hätte gezeigt, dass dieses Beispiel nicht auf Deutschland übertragbar ist und sich als Lösungsvorschlag daher nicht eignet.
Mit einem Tatortkommissar als Gast hätte das Gespräch früher oder später sicherlich automatisch zum Thema Tatort geführt, selbst wenn der Moderator dies nicht gleich zu Beginn als humoristischen Icebreaker benutzt hätte. Als einer der Sprecher eine diesbezüglich gestellte Frage nicht beantworten kann und konstatiert, "diese Sendungen" nicht zu kennen, applaudiert ein Zuhörer provokativ. Dabei ist gerade der Tatort eine Plattform, um das Lokalkolorit der jeweiligen Region zu präsentieren, was Herr Wachtveitl kurz zuvor sogar selbst betont. Gerade die Äußerungen von Herrn Wachtveitl sind es letztlich, die ins Herz treffen, wenn er beispielsweise dem "Trachtenirrsinn auf dem Oktoberfest" etwas Positives abzugewinnen vermag, hat dieser doch die Diskussion wachgerufen, wie authentische Tracht eigentlich auszusehen hat. "Win some, lose some," meint er wie nebenbei, und bringt damit die gesamte Diskussion auf einen gemeinsamen Nenner, über den nachzudenken sich lohnt.
Man hört vom mangelnden Selbstvertrauen der Dialektsprecher, von der Tendenz, den Dialekt zu unterdrücken und sich anzupassen, teilweise gezwungenermaßen - das Hochdeutsche bewegt sich unaufhaltsam Richtung Süden; man hört vom Bedauern des Dialektverfalls bei der Jugend. Bezeichnenderweise ist der Altersdurchschnitt des Publikums etwa Mitte 50 aufwärts - ich bin mit Abstand die Jüngste, genieße die Beiträge, fühle mich ansonsten jedoch eher fehl am Platz und halte mich zurück. Und ich bin enttäuscht. Zum einen, weil das Thema bayerischer Dialekt nicht mehr jüngere Interessenten anzuziehen scheint, und der im Verlauf des Symposiums so oft bedauerte Verfall dieses Sprachschatzes traurige Realität ist, wie ich tagtäglich selbst erlebe. Zum anderen, weil positive - wenn auch zarte - Tendenzen des "Aufschwungs", beispielsweise in Bezug auf den bayerischen Film (siehe http://www.pnp.de/region_und_lokal/leserreporter/stadt_und_landkreis_passau/454480_Bayerischer-Film-auf-dem-Vormarsch.html), gar nicht wahrgenommen zu werden scheinen. Vor allem aber weil der Blick - wieder einmal - nicht über den Tellerrand der Großstadt hinausreicht. Schließlich ist das Bayerische unter jungen Menschen nicht überall so auf dem Rückzug wie in München, jedenfalls noch nicht.
Von Leserreporter Katja Jakob